Aktualisiert 07.07.2024

Prins Willem 1651

Text und Fotos: Horst Schuller

Titelblatt

Fast könnte man stöhnen :"noch eine Prins Willem ?!?!", aber dieses Modell hat selbst schon eine lange Geschichte, die 1986 begann.
Ich möchte zu bedenken geben, es existierte noch kein Internet, kein PC, und auch im allgemeinen Handel noch keine Pläne, oder gar Baukästen zu diesem Modell. Allerdings hatte das Reichsmuseum in Amsterdam in seinem Angebot einen solchen Plansatz mit Rissen und einigen Details.

Diese waren im originalen Modellmaßstab von etwa M1:50 ausgeführt und ich musste zumindest die Risse auf den von mir beabsichtigten Maßstab M1:75 verkleinern. ZU dieser Zeit basierten alle meine Informationen auf der Veröffentlichung von Herman Ketting.

Eine wichtige Erkenntnis, was diesen Maßstab anbelangt, ergab sich durch die zwischenzeitliche Diskussion in Expertenkreisen über die Aussage von Herman Ketting: die originale PRINS WILLEM sei 181 Amsterdamer Fuß lang gewesen. Rückgerechnet, und abgeleitet von den Plänen des Reichsmuseums, hatte ich mein Modell auf den Maßstab M1:75 skaliert.

Spätere Nachforschungen lassen vermuten, dass es sich hier um einen Irrtum handelt. Begründet durch die Klassifizierung der VOC, waren die Ostindienfahrer nicht länger als 170 Amsterdamer Fuß lang. Dies zugrunde gelegt bewirkte, dass mein Modell folglich dem geänderten Maßstab von M1:69 entspricht.

Glücklicherweise hatte zu dieser Zeit Willem Voss in Lelystad mit der Rekonstruktion und dem Bau der BATAVIA begonnen. Besser konnte es nicht kommen, man musste nur noch "mit Augen stehlen". Diese Tatsache bestimmte für die nächsten Jahre meine Urlaubsziele, wobei meine Familie sich durchaus freudig beteiligte, was durchaus nicht selbstverständlich ist.

Mein Modellkonzept sah folgendermaßen aus. Ich wollte dieses Modell in Spantenbauweise ausführen und es nur einseitig beplanken, sodass eine offene und eine geschlossene Seite entstand.
Der erste große Aufwand bestand im Verkleinern der Risse auf M1:69, sowie das anschließende Herauszeichnen eines jeden einzelnen Spantteils (Lieger, Sitzer, und Auflanger). Diese wurden später dann so angeordnet, dass im Bereich der Kimm eine geschlossene Fläche entstand.

Natürlich begann die praktische Arbeit mit dem Bau einer Helling und einer dazugehörigen Messbrücke. Nach dem Ausgleichen der äußeren und inneren Unregelmäßigkeiten, entstand eine recht rigide Konstruktion, wobei die oberen Spantenenden durch eine temporäre Stracklatte miteinander verbunden und gesichert wurden.

Später sorgten die angebrachten Berghölzer für zusätzliche Stabilität. Im Inneren folgten Kielschwein (4) und Kimmweger (3), die Balkweger des Konstapler- und Orlopdecks (5 und 2) und die ersten Vorbereitungen für die Teilbeplankung wurden getroffen (Z.B. Schablonenbau).

Blick auf Brot- und Pulverkammer

Die Außen- und Innenbeplankung erfolgte backbordseitig, während die Steuerbordseite unbeplankt und mit einigen Stracklatten versehen blieb. Zu einem späteren Zeitpunkt habe ich dann wieder seitliche Fenster für den Einblick eingeschnitten.

Sehr frühzeitig führte ich die Bemalung in der Gillung (Holle Wulf) aus. In einer späteren Ausbaustufe wäre das sehr schwierig geworden. Sie stellt, gemäß holländischer Tradition, die Ansicht der Stadt Middelburg dar, in der die originale PRINS WILLEM 1651 von Stapel lief.

Es fällt auf, dass die Decks hier in eigenartiger Weise verspringen. Die nachfolgende Skizze veranschaulich dies noch einmal.

Ab jetzt war das Orlopdeck an der Reihe. Dieses verläuft fast über die ganze Länge des Schiffes und ist gemäß meines Konzeptes "Backbordhälfte zu, Steuerbordhälfte offen" ebenfalls nur halbseitig beplankt.

In der Folge wurden verschiedene Detailarbeiten ausgeführt. Teile des Galionsschegs mit Schnitzereien, der Galionslöwe und die Seitengalerien folgten.

Ansicht von steuerbord

Im weiteren Fortschritt entstand das Kampaniedeck mit der Kajüte und ihrem Schott, alles schön halbseitig beplankt, und die ersten Kanonen sind auch schon getakelt. Später ist dieser Bereich nur schwierig erreichbar. Zur besseren "Einsicht" habe ich in den Bereich der Kimm, natürlich auf der Steuerbordseite, zusätzliche Öffnungen eingeschnitten.
Das Modell bot in diesem Ausbauzustand einen recht interessanten Eindruck.

Es war das Jahr 1997 , nach 11-jähriger Bauzeit führten familiäre Ereignisse dazu, dass eine riesige Modellbau-Pause entstand.

Im Jahr 2015 hatte mich der Anblick meiner verwaisten Prins Willem doch noch einmal in Trab gebracht. Die Zeiten hatten sich inzwischen gewaltig geändert, es gab jetzt PC`s, Internet, Digitalkameras usw. Die Möglichkeit sich zu informieren war geradezu explodiert. Aber der praktische Modellbau war immer noch so kniffelich wie zuvor.

Die erste Arbeit, die anstand, war das Verlegen des Oberdecks. Es folgte der gleichen Methode wie dies mit dem Orlopdeck geschah. Bestimmend waren hier die großen Luken, die zahlreichen Knechte für die Takelage und der obere Teil der großen Winde.

Weiteren Fortschritt gab es auch im Bereich des Galion, wo die Regeln und die Restkonstruktion vervollständigt wurden. Auch der Sprietmast wurde schon festgezurrt. Es ist nicht zu übersehen, der „Seat of ease“ wird schon fleißig genutzt.

Es wurden jetzt noch Details wie ein Beiboot, Niedergangeinfassungen usw. ergänzt. Daraufhin erfolgte das umfangreiche Schnitzen. Das gilt für das Galion, den Heckspiegel und auch die Backbordseite. Ich glaube, die beigefügten Bilder sind hier selbsterklärend.

Der letzte Bauabschnitt begann mit dem Errichten der Masten und der Takelage. Für dieses Modell wollte ich keine Segel vorsehen, weil nach meinem Geschmack geblähte Segel und ein halb geöffneter Rumpf nicht zusammenpassen. Es gab natürlich auch Stimmen, die sagten, dies sei "Feigheit vor dem Feinde". So hatte ich mir zumindest fest vorgenommen, das nächste Modell unter vollen Segeln darzustellen.
Konsequenterweise musste ich also die Rahen in Ruhestellung in Richtung ihrer Marsen abfieren. Das Takeln selbst ist sicher schon so oft beschrieben worden, dass ich es bei der Präsentation der Bilder belassen möchte.

Ein langes Projekt ging zu Ende. Es dauerte von 1986-1997 und 2015-2018, das sind etwa 14 Jahre Bauzeit. Dies ist aber in Arbeitsstunden nicht zu bemessen, weil die Arbeitsintensität sehr unterschiedlich war.
Ich kann aber nicht leugnen, dass mich das Ergebnis mit Stolz erfüllt, und ermutigt weiterzumachen.

Literaturverzeichnis:
- Herman Ketting „Prins Willem, Een zeventiendeeeuwse Oostindievaarder”
- H.N. Kamer „Het VOC-retourschip“
- Ab Hoving „Modellen vertellen“
- Rob Napier „Valkenisse Retourschip of 1717“
- Wilhelm Vos “Batavia Cahier 1-6”
- Lanasta Verl. “Scheepshistorie 1-29”
- John Harland “Seamanship”
- Heinrich Winter “Der Holländische Zweidecker“
- Rolf Hoeckel „Modellbau von Schiffen des 16. Und 17.Jahrhunderts“
- Mondfeld „Historische Schiffsmodelle“
Internet
- www.vocsite.nl


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