Aktualisiert 23.10.2022

Raddampfschlepper WÜRTTEMBERG (1909)

Fotos und Text: Klaus Lingenauber

Ansicht vorn Steuerbord

Zu den bekannten Sehenswürdigkeiten in Magdeburg gehört bestimmt der Radschlepper WÜRTTEMBERG. Nicht weit vom bekannten Dom und hinter der stillgelegten Hubbrücke gelegen, hat das Schiff seit 1974 hoch am Elbufer, weit vom Fahrwasser entfernt, seinen heutigen Standort gefunden. Im Kulturpark Rothehorn wird die WÜRTTEMBERG als letzter Sachzeuge der Dampfschleppfahrt auf der Elbe auf einem Betonsockel an Land präsentiert. An einem Sonntagmorgen im Jahr 2020 durfte ich den Eigner auf dem Schiff besuchen. Eigentlich war die WÜRTEMBERG an diesem Morgen für Besucher geschlossen. Dennoch konnte ich mich in aller Ruhe umsehen und die Gastfreundschaft an Bord genießen. Vielen Dank dafür nochmals!

Historische Aufnahme vor 1945

Der Raddampfschlepper wurde 1908/09 auf der Schiffswerft der Gebrüder Sachsenberg im Dresdner Stadtteil Roßlau gebaut. Auftraggeber war die Neue Deutsch-Böhmische Elbschiffahrt AG (NBDE)* in Dresden. Der damals moderne Radschlepper stand in Konkurrenz zur noch kostengünstig und effektiv arbeitenden Kettenschifffahrt. Die Flexibilität der starken Radschlepper setzte sich auf dem Fluss jedoch mehr und mehr durch. Die anhaltenden Konkurrenzkämpfe der einzelnen Elbschifffahrtsgesellschaften und die Folgen des Ersten Weltkrieges ließen die NBGD jedoch zehn Jahre nur mit Verlust arbeiten. 1916/17 wurde ein bedeutender Teil des Aktienkapitals von der Georg Schicht AG in Aussig (heute Ústi nad Labem) übernommen und die NBDG in einer größere Betreibergesellschaft überführt. In der Inflationszeit während der 1920er Jahre wurde sogar der Freistaat Sachsen Aktionär der NBDG.

Kessel mit Feuerbüchsen

In den letzten Kriegstagen wurde die WÜRTTEMBERG durch Tieffliegerbeschuß in der Nähe von Meißen stark beschädigt. Auf der Reparaturwerft in Dresden-Laubegast brannte das Schiff in den Wirren der Nachkriegszeit auch noch im Vorschiff aus. 1946 konnte der Schlepper unter großen Mühen wieder instandgesetzt werden und kam als Volkseigentum wieder in Fahrt. 1955 wurden neue Kessel eingebaut, 1959 wurde eine Anlage zur Führung von Elektrizität installiert.

In einer zeitgenössischen Broschüre wird aus der Zeit berichtet: " in den rund 28 Jahren seines Einsatzes im Dienste des sozialistischen Aufbauwerkes hatte das Schiff einen beträchtlichen Anteil an der Erfüllung der Planaufgaben der Binnenschiffahrt und an der ständigen Steigerung der Transportleistungen. Das Kollektiv und sein verdienstvoller Leiter Albert Felgenträger konnten mehrfach im sozialistischen Wettbewerb ausgezeichnet werden." Interessanterweise behielt das Schiff auch in DDR-Zeiten seinen Namen nach einem ehemaligen Königreich. Andere Schiffe mit ähnlicher Namensgebung wurden in der DDR umbenannt.

1972 war die WÜRTTEMBERG der einzige verbliebene Dampfschlepper auf der Elbe. Motorgüterschiffe und Schubschiffe übernahmen nun seine Arbeit. Das voll betriebsfähige und gut erhaltene Schiff sollte als Museumsschiff am Magdeburger Elbufer an Land ausgestellt werden. Mit dem Dezemberhochwasser 1974 wurde die WÜRTTEMBERG zu den überschwemmten Elbwiesen vor die Stadthalle geschleppt. Das war die letzte Bewegung des Dampfers im Wasser. Um das Schiff endgültig hochwassersicher zu lagern, wurde der 320 Tonnen schwere Schlepper am 15. Oktober 1975 mit zwei sowjetischen Bergepanzern auf einen vorbereiteten Fundamentsockel gezogen (entgegen offiziellen Berichten gelang das nicht auf Anhieb.)

Vitrine im Museum

Am 21. April 1976 öffnete die WÜRTTEMBERG auf ihrem letzten Liegeplatz ihre Pforten für Besucher. Im Inneren sind der Kessel- und der Maschinenraum erhalten. Im Bugbereich liegt eine große Eignerkabine, im Heck ist ein Restaurant, welches auch eine Außenterrasse zur Elbe bietet. Im ehemaligen Kohlebunker präsentiert sich eine Ausstellung zur Geschichte der Elbschifffahrt.

Technische Daten:
Rumpflänge (Ohne Ruder und Bugspriet): 63,80 m
Rumpfbreite: 7,23 m
Breite über Radkästen: 15,17 m
Mittlerer Tiefgang: 0,83 m (ursprünglich, 0,91 m (zuletzt)
Hauptmaschine: 1 Zweizylinder-Verbund-Dampfmaschine Schrägliegend mit 650 PS (460 kW) bei 35 bis 45 umdrehungen pro Min.
Durchmesser eines Schaufelrades außen: ca. 3,52 m
Kesselanlage: 2 Flammrohrkessel (Schottland-Bauart) mit 3,42 m2 Rost- und 130 m2 Heizfläche.
Besatzung: 10 Mann: 1 Schiffsführer, 2 Steuerleute, 2 Bootsleute, 1 Maschinist und 4 Heizer.

*) originale Schreibweise.

Website: http://www.sd-wuerttemberg.de
Ein weiteres, sehenswertes Museumsschiff in Magdeburg ist der Kettenschlepper GUSTAV ZEUNER: https://www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de/mitglieder/ontour/gustav-zeugner-1894/

^
Ihr Browser ist veraltet!

Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser, um diese Website korrekt darzustellen.

Den Browser jetzt aktualisieren×