Aktualisiert 10.11.2016

Schnitzen ist keine Zauberei, Teil 1

Peter Pratsch

Dieser Beitrag behandelt das Schnitzen von Schiffsdekorationen um 1750 mit Beispielen vom Modell der Korvette L‘ ANÈMONE von 1747.
Das Vorbild war baugleich mit der L‘ AMARANTE, zu der Gèrard Delacriox eine Monografie (2012) herausgegeben hat.
Die umfangreichen Zeichnungen waren die Grundlage für den Modellbau.
Die Dekorationen an der L‘ ANÈMONE erschienen mir üppiger, Grund genug sich dafür zu entscheiden.

Die nachfolgende Fotomontage zeigt auf welche Schnitzereien ich mich konzentriert habe.

Einleitung:
Beim Betrachten von perfekt gefertigten Schnitzereien an historischen Schiffsmodellen Des 17. Und 18. Jahrhundert habe ich stets gedacht: „So etwas könnte ich nie“!
Ich merkte aber, wie dieses Thema immer wieder mein Interesse weckte und langsam begann ich mich in kleinen Schritten an einfachen Schnitzereien zu versuchen. Mit der Zeit bekam ich Erfahrung was Motive, Werkzeuge und Material betraf, ich wurde mutiger und wagte mich schließlich auch an vollplastische Figuren.

ALLES, worüber ich schreibe, habe ich selbst erarbeitet und ausprobiert!

Diese Erfahrungen möchte ich einem möglichst großen Kreis von Interessierten vorstellen Und sie zur Nachahmung ermuntern.

Folgende Voraussetzungen wären sehr hilfreich:
- Mit der Feinmotorik darf man nicht auf "Kriegsfuß" stehen.
- Durch Misserfolge darf man sich nicht entmutigen lassen, sondern sie als wertvolle Erfahrung abspeichern und die Herstellung eines Schnitzteils möglichst zeitnah wiederholen.
- Niemals mit Ärger oder einer schlechten Stimmung arbeiten, immer versuchen locker zu bleiben.
Unser Hobby soll ja Freude bereiten, Zeit- und Erfolgsdruck sind für unsere Arbeit schädlich und verhindern brauchbare Resultate.
Es wäre optimal, wenn sich eine heitere Beschaulichkeit einstellt.

Mein Konzept:
- Ich zeige Bildbeispiele in lockerer Reihenfolge, weil ein Bild mehr sagt als tausend Worte (nichts neues)!
Ich betone die Punkte, die nach meiner Erfahrung:
- unterschätzt aber auch,
- überschätzt werden!

1. Thema: Übertragen von Zeichnungsvorlagen

Unterschätzt wird das präzise Übertragen von der Zeichnungsvorlagen auf das Holz, dieser Punkt verlangt eine hohe Aufmerksamkeit; denn Abweichungen und Vereinfachungen entstehen beim schnitzen sowieso!

Die beste Möglichkeit Verfälschungsfilter auszuschalten (wie das Übertragen von Hand mit Kopierpapier usw.), bietet das Übertragen mit normalen Fotokopien (Laserdrucker)!
Eine präzisere und kostengünstige Technik kenne ich nicht! Wer damit noch nicht gearbeitet hat, sollte sich die nachfolgenden Bilder der Arbeitsabläufe ansehen:

Bild 1: Die Vorlage muss gespiegelt werden (untere Kopie).
Bild 2: Der Bereich, der übertragen werden soll wird, wird mit Balsamterpentinöl eingestrichen (nicht tropfnass).
Bild 3: Mit dem Reibelöffel (oder ähnliches Werkzeug) wird der Toner auf das Holz übertragen.
Bild 4: Das Motiv steht nun seitenrichtig auf dem Holzklötzchen, bereit zum aussägen.

Zum besseren Verständnis zeige ich noch ein Beispiel:

Bild 1: Balsamterpentinöl von der bedruckten Seite aufstreichen
(der Pinsel liegt auf der falschen Seite, aber manchmal muss man noch von dieser Seite leicht nachfeuchten).
Bild 2: Aufreiben der Zeichnung, hier mit einem Federhaken.
Bild 3: Zur Kontrolle die Vorlage anheben, notfalls zurückfallen lassen und nachreiben.

Hinweis: Papier und Werkstück müssen Raumtemperatur haben. Beim Aufstreichen mit Balsamterpentinöl darf kein Sumpf entstehen, sonst geht der Toner in Lösung ebenso, wenn man mit dem Pinsel zu oft über den Toner streicht!
Ich habe in einer Kopierstation von verschiedenen Geräten Kopien gemacht. So konnte ich feststellen, welcher Toner sich am besten Übertragen lässt; denn die Tonerqualität ist nicht bei allen Geräten gleich gut.

Probieren geht über studieren, dabei auch experimentieren, gültig für alle Arbeiten!

2. Thema: Werkzeuge, handgeführt

Die Empfehlung aus Feilen, Bohren, Nadeln aus Wälzlagern usw. geeignete Schnitzwerkzeuge zu schleifen, oder Skalpelle zu verwenden, haben mich nie so richtig überzeugt!

Begründung: Ein Schnitzwerkzeug muss gut und sicher geführt in der Hand liegen, nicht federn und darf in den Fingern keine Abdrücke erzeugen, es MUSS statisch starr sein.

Der Durchbruch kam mit Stichel aus HSS, wie sie Kupferstecher verwenden, sie bilden meine
1. Gruppe von Schnitzwerkzeugen siehe Bild:

Stichelbezeichnung von links nach rechts:
Flachstichel, Spitzstichel, Hohlstichel und Messerstichel (nenne ich nachfolgend Konturenmesser),
Die Stichelhefte sind in Kugel- oder Pilzform (abgeflacht) ausgeführt.

An dieser Stelle schon ein 1. Beispiel aus der Schnitzwerkstatt:

Das Konturenmesser läuft an der (wie unter Punkt1) vorgezeichneten Linie für die Sponung am Bugsteven in einem Zug (ohne abzusetzen), fast wie CNC-gesteuert!
Durch den ziehenden Schnitt, (Messerspitze läuft hinter der Hand) entstehen kaum Abweichungen sowohl in der Bogenlinie wie auch auf der Geraden (das Hauptlicht sollte auf die Messerspitze fallen)!

Das funktioniert so genau, wie man im Bild links sieht, dass eine Parallele für die Breite der Sponung, dicht daneben, in gleicher Qualität ausgeführt werden kann. Mit dem schräggestellten Konturenmesser wird das Holz in dünnen Schichten aus der Sponung abgetragen und zum Schluss mit dem Flachstichel geglättet.

2. Gruppe von Schnitzwerkzeugen in den nachfolgenden Bildern

Unterschätzt:
Diese Werkzeuge aus asiatischer Herstellung habe ich lange belächelt, weil ich sie für Schund gehalten habe.
Ich muss ihnen aber folgende Vorteile bescheinigen:
- Die Werkzeugklinge hat ausreichende Dicke um nicht zu federn!
- Poliert man die Schneide auf Spiegelglanz, erhält man scharfe und saubere Schnitte!
- Die Klingen lassen sich nach Bedarf schnell auf die gewünschte Form schleifen! Durch das runde Klingenheft kann man die Schneide blitzschnell in die nötige Position drehen (schlachtentscheidend für flüssiges, ermüdungsfreies Schnitzen)!
- Sie sind preiswert!

Mit diesen 3 Messern verschiedener Breite und Schnittwinkel kann man schneiden, stechen und schaben (im Kreis Spiegelglanz einer Schneide)!

Mit diesen z. T. angepassten Werkzeugen kann man nur stechen und mit den li. 4 zusätzlich auch schaben!

Das Polieren der Schneiden erfolgt mit Nasschleifpapier für Metall in folgender Reihenfolge und den Körnungen:
1. 600er, 2. 800er, 3. 1000er oder 1200er auf einen Bierdeckel, der überschüssiges Wasser gleich aufsaugt (es kann leichte Balligkeit entstehen, sie erleichtert einen schälenden Schnitt).

Bild 1 bis Bild 3 zeigt die Arbeitsabläufe.

3. Thema: Schnitzen von tiefer liegenden Flächen

Überschätzt wird die Schwierigkeit!

Die nachfolgende Bildreihe zeigt die Bearbeitung der Stb.-Ziersäule und steht exemplarisch für derartige Bauteile!

Bild 1: Mit dem Konturenmesser eine gerade Linie schneiden!
Bild 2: Sinngemäße Anwendung beim Bauteil, die Schneide reicht von der Messerspitze bis zum Farbansatz (Schneidlineal)!
Bild 3: Mit dem Schnitzmesser das Holz in Schichten abtragen!
Bild 4: Sinngemäße Anwendung beim Bauteil bis die Tiefe von ca. 0,5 mm erreicht wird!
Bild 5: Glättung der vertieften Fläche mit dem Flachstichel oder geraden Schnitzmesser!

4. Thema: Weitere Anwendungen der Techniken

Zunächst muss man die Vorlagen der Schnitzteile für den Modellmaßstab anpassen und die Konturen durch Verzerren am Rechner auf die Modellform bringen.

Das kleine Bild im Rahmen diente als Grundlage für die Bearbeitung am Rechner.

In der nachfolgenden Bildreihe sieht man die weitere Verwendung von Werkzeugen für die Innenbearbeitung.

Bilder 1-3 zeigen: Konturenmesser, Hohlstichel und ein 1,2 mm breiter Stechbeitel, verwende ich auch für Bögen und kleine Kreise (ein Kreis besteht bekanntlich aus vielen Dreiecken). Bild 6 zeigt die problemlose Spanabnahme.

In der untenstehenden Bildfolge kommen auch stationär und handgeführte Maschinen zum Einsatz.

Bild 1: Hohlstichel.
Bild 2: Spitzstichel.
Bild 3: Einschneiden von Kerben mit der Dekupiersäge.
Bild 4: Mit einer breiten Palette von Schlüsselfeilen werden Abrundungen bearbeitet.
Bild 5: Glätten des Schnitzgrundes mit einem diamantierten Kugelschleifstift (Proxxon).
Bild 6: So sehen die tropfenförmigen Zierteile aus.

Die Herstellung von Profilen wurde im Forum bereits gezeigt, deshalb gehe ich nicht darauf ein.

Zum Anpassen der Profile klebe ich die Säulen mit etwas Kleber am Spiegel fest. Nach dem Anzeichen der Profillage kann man sie leicht zur weiteren Bearbeitung entfernen.

Dünne Schnitzteile (0,5-0,7 mm dick), die in die Vertiefung der Säulen eingeklebt werden, schneide ich bis zum Rand mit der Dekupiersäge ein.
Beim Einsatz des Schnitzmessers wird das Holz nicht gequetscht und kann kontrolliert weggeschnitten werden, sonst besteht die Gefahr, dass die Holzmaserung in das Teil einreißt.

Das gezeigte Teil befindet sich nicht an der Säule, sondern soll nur das Prinzip verdeutlichen.

Die fertige Ziersäule

5. Thema: Gekrümmte Schnitzteile

Gekrümmte Zierteile, wie im Bild 1 li. unten auf der Ziersäule werden aus einen dicken Leistenstück, wie im Bild 3 zusehen, bogenförmig geschnitzt und wie im Bild 4 zu sehen, die Unterseite an der Dekupiersäge abgesägt. Die Glättung erfolgt am Bandschleifer von Proxxon (kann man auch gut freihändig machen).
Das Bild 2 zeigt die Verwendung des Teils.Dünne Zierstücke (s. Pfeil) schnitze ich genauso und kann sie problemlos (manchmal hauchdünn) an der Feinschnittkreissäge absägen.

Die Zierteile unterhalb der Säulen sind nicht so schwierig herzustellen wie es aussieht:

Bild 1: Teil (aus der Ausschusskiste) wird als Klötzchen an der Rumpfaussenseite an die Gillung gehalten und die Form mit einem Grafitstift angezeichnet.
Bild 2: Die Innenseite des Zierteils wird an der Bandsäge stegweise eingeschnitten (Vorgang imitiert).
Bild 3: Die Stege lassen sich anschließend recht genau absägen.
Bild 4: Die sägerauhen Flächen werden am Bandschleifer geglättet. Das Teil wird zunächst, wie in den vorhergehenden Beiträgen beschrieben, bearbeitet.
Bild 5: Mit einem 0,6 mm Bohrer werden von Hand die Anfangs- und Endpunkte der Rillen vertieft.
Bild 6: Das Konturenmesser wird an der Außenseite der Anfangsbohrung angesetzt, zur Endbohrung ausgerichtet und mit leichten Druck durchgezogen. Der Vorgang wiederholt sich auf der Gegenseite der Markierungsbohrungen. Mit einem 1 mm breiten Hohlstichel wird das Holz abgetragen.

6. Thema: Schnitzen eines Halbreliefs

Mit Standbilder das Schnitzen einer Figur (hier Halbrelief) zu zeigen kann nur unvollkommen bleiben, ich versuche es so gut ich kann!

Im Bild sind 3 Elemente zu sehen, berichten werde ich nur über die Putte.

Bild 1: Die fertig ausgesägte Putte.
Bild 2: Ich schneide so genau wie möglich die sägerauhen Flächen mit dem Schnitzmesser ab.
Bild 3: Hier sieht man schon den Schnitzfortschritt und einige Werkzeuge, in der nächsten Bildfolge gehe ich näher darauf ein.
Bild 4: Im Kreis an der fertigen Putte sieht man, dass das Schild einen Rand hat.
Bild 5: Das Konturenmesser wird auf ein Distanzstück gelegt und ermöglicht einen gleichmäßigen Höhenschnitt.

Im oberen Bild habe ich an manchen Stellen Schnitzwerkzeuge einkopiert. Diese Ziffern weisen im unteren Bild auf das verwendete Werkzeug.

Begonnen wird immer im Gesicht mit der li. Oder re. Hälfte, so hat man eine Kontrolle, wenn die Aufzeichnung von der einen Seite weggeschnitzt ist. Mit dem Werkzeug Nr. 6 u. 7 wird das Auge freigelegt, man geht dann an der Nase nach unten am Mund vorbei bis zum Kinn. Dabei arbeitet man sich langsam nach außen zum Abrunden der Kanten. Über den Augen schnitzt man sich vorsichtig bis zum Haaransatz. Auf dem Bild sieht man gut, wie die Körperlinien vertieft wurden. Das Gewand und das Schild bleiben zunächst unbearbeitet stehen. Sobald der Körper, der re. Arm und die Beine freigelegt sind, wird abgerundet m. Nr. 2, 6, 8 und 10. Es kommen aber auch Schlüsselfeilen zur Anwendung. Beim Schild sticht man erst die Konturen der Lilien und trägt mit Nr. 2, 6, 7 und 8 das Holz ab. Man wird dabei zwischen den Schnitzwerkzeugen und Feilen ständig wechseln. Zum Schluss wird das Haar und Gewand sinngemäß bearbeitet.

Für die ersten Versuche wird man sicherlich ein ganz einfaches Motiv wählen.
Sobald sich etwas Erfahrung einstellt, bekommt man Sicherheit und wird allmählich größere Objekte wählen.
Damit Einsteiger motiviert bleiben, gebe ich an dieser Stelle die Information, dass ich die Putte dreimal geschnitzt habe:
1. Aus Birnenholz und im falschen Maßstab.
2. Castello -Buchsbaum (nach meiner Einschätzung zu grobe Maserung).
3. Aus europäischen Buchs.

7. Thema: Herstellung einer Seitentasche

Hinweis: Die Grenzen zwischen Schnitzen und üblichen Modellbau sind fließend.
Unterschiedliche Aufnahmen von bb. und stb. werden dabei vermischt, was aber keine Rolle spielt, die Seitentaschen sind, wie üblich, symmetrisch aufgebaut.

Dieses Bild zeigt die Gliederung der Seitentasche in 3 Elemente.

Bild 1: Die Vorbereitung zur Bildübertragung.
Bild 2: Die Nuten für die Fenstersprossen wurden mit dem Konturenmesser ca. 0,4 mm vorgeschnitten.
Bild 3: Die Nuten werden mit einem 0,5 mm dicken Sägeblatt kalibriert. In das Sägeblatt wurde ein kleiner Spanwinkel geschliffen.
Bild 4: Damit die Farben mehr Brillanz bekommen, wurde mit weißer Holzpaste grundiert.
Bild 6: Die Holzsprossen aus 0,5 x 0,5 mm Leisten hergestellt. Das Bauteil hat bereits seine blauen Flächen erhalten und die profilierten Fensterrahmen sind montiert.

Bild 1: Eine gleichmäßig hohe Kante erhält man mit einem Distanzbrettchen.
Bild 2: Das gleiche Brettchen hält auch den Hohlstichel auf Distanz.
Bild 3: Das fertig montierte Oberteil mit der Lücke für einen „Narrenkopf“.
Bild 4: Der fertig ausgesägte Kopf (könnte eine erste Schnitzübung sein), fertig zum Schnitzen.

Bild 1: Bei den flachen Palmblättern kommt ein Winkelbeitel zum Einsatz.
Bild 2: Mit geringen Schnittdruck kann auch freihändig gearbeitet werden.
Bild 3: Der Hohlbeitel kann auch Kanten runden.
Bild 4: Aus einem Formenholz werden gebogene Palmblätter geschnitten (Mit dem Hohlbeitel wird li. und re. etwas Holz abgetragen, so dass eine kleine Rippe in der Mitte entsteht).

Bild 1: An der unteren Bogenzier entsteht die Spanbegrenzung mit dem Hohlbeitel.
Bild 2: Mit verschiedenen Werkzeugen werden die Konturen geformt.
Bild 3: Damit das Teil gut am Rumpf anliegt, wird es mit der Feile ausgehöhlt.
Bild 4. Zur weiteren Bearbeitung wird die Rückseite mit einem Formstück abgestützt, um die Schnittkräfte aufzunehmen.

Bild 1: Das fertige Schnitzteil (farbig), die Verlängerung nach oben wurde separat geschnitzt.
Bild 2: Sehr zierliche, kreisrunde Teile lassen sich mit scharf geschliffenen Injektionsnadeln (hier 1,2 mm) oder Messingröhrchen schneiden.
Bild 3: Mit einem schmalen Stechbeitel wird das Holz abgetragen (vorsichtig abgehoben).

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