Aktualisiert 01.07.2009

Kanonenbootpolitik auf Niederländisch – Restaurierung der Zr.M. BONAIRE in Den Helder

W. Eberhard Falck

Einführung
Im 19. Jh. waren Kanonenboote – ähnlich wie Flugzeugträger heute – ein gängiges Mittel in Übersee politische Interessen durchzusetzen. Auch die kleinen Niederlande hatten (und haben z.T. noch) ansehnliche Besitzungen in Ostindien, auf dem südamerikanischen Festland und den Antillen. Dementsprechend verfügte die Koninklijke Marine über verschiedene Kanonenboote.

Abb. 1: Zr.Ms. BONAIRE (©Marinemuseum Den Helder, F26365)

Die BONAIRE überlebte bis in die Gegenwart als Wohnhulk, wie verschiedene andere Schiffe aus dieser Zeit: Zr. Ms. SCHORPIOEN (1868) und Zr. Ms. BUFFEL (1868) der Koninklijke Marine, HMS GANNET (1878) der Royal Navy, und die Corbeta URUGUAY (1874) der argentinischen Marine.

Die BONAIRE wurde 1877 als Schraubendampfschiff 4. Klasse in Dienst gestellt. Sie ist 53,6 m lang, 9 m Breit und verdrängt bei einem Tiefgang von 3,55 m 824 tons. Den Dampf für die liegende 2-Zylinder-Dampfmaschine lieferten zwei Schottische Kessel. Für den Zug sorgte ein teleskopisch versenkbaren Schornstein. Die Bewaffnung bestand aus einer 15 cm-Ringkanone in Lafettierung für Pfortenwechsel sowie zwei 12 cm Ringkanonen in Breitseitenlafetten. Dazu kamen ein 12 cm Mörser und Landungsgeschütze. Später wurden auch zwei 3,7 cm Hotchkiss-Revolverkanonen an Bord genommen. Die Besatzung bestand aus 90 bis 100 Mann.

Abb. 2: Linienriß, Seitenansicht und Querschnitte der Zr.Ms. BONAIRE

Zur Konstruktion
Der Bau der BONAIRE weist einige Besonderheiten auf: sie ist vollständig als Eisenbau ausgeführt (Abb. 3 bis 5), verfügt aber über eine Art Spiekerhaut die bis zur Reling hinaufreicht (Abb. 2). Diese Haut erleichterte das Anbringen des Bodenbelages aus Zink (Abb. 6) mit dem hier erstmals in der niederländischen Marine experimentiert wurde. Das Zink dient nicht nur als ‚anti-fouling’ sondern verhindert auch die Korrosion der strukturellen Elemente. Der Bau insgesamt ist relativ aufwendig ausgeführt. So bestehen die Decksbalken nicht einfach aus gebogenen Abschnitten von ‚bulb iron’, sondern es sind die Auflager für die Wassergänge mit angeformt (Abb. 7). Die Wassergänge bestehen aus mehreren, nebeneinander verlegten Planken der normalen Decksstärke (Abb. 8). Die Spanten sind aus zwei Winkeln und einer Verbindungsplatte zusammengesetzt. Während die Winkelprofile sich noch in einem guten Zustand befinden, sind die Verbin-dungsplatten zumindest an den Spantköpfen stark korrodiert und blättern auf (Abb. 9).

Abb. 3: Das Spantskelett der BONAIRE. Unterdeck, Blick nach vorne (WEF)

Abb. 4: Spanten im Vorschiff, Zustand im August 2008 (WEF).

Abb. 5: Blick in die Bilge im August 2008 (WEF)

Abb. 6: Von achtern: Zustand im Februar 2008 (WEF).

Abb. 7: Decksbalken des Oberdecks (WEF).

Abb. 8: Achterdeck im August 2008 (WEF)

Abb. 9: Korrodierte Spantköpfe im Bereich des Achterschiffs (WEF)

Abb. 10: Von vorn: Zustand im Februar 2008 (WEF).

Abb. 11a

Die zweite Besonderheit ist die Schiffsschraube nach Mangin-Woodcrofft, eine Vierflügelschraube, deren Paare von Blättern in zwei Ebenen angeordnet waren und zum Segeln in eine Stellung hintereinander gebracht werden konnten. Darüber hinaus gab es für Wartungsarbeiten eine Heißvorrichtung (Abb. 11a).

Abb. 11b: Zeichnung des Schraubenbrunners und heutiger Zustand (WEF).

Abb. 11c: Zeichnung des Schraubenbrunners und heutiger Zustand (WEF).

Zur Geschichte
Von 1877 bis 1902 war die BONAIRE in aktivem Dienst, vorwiegend in karibischen und südamerikanischen Gewässern, wie ja auch schon ihr Name andeutet. Zu einem Wohnschiff umgebaut lag sie bis 1923 zunächst in Hellevoetsluis, später in Dordrecht. Danach wurde das Schiff an die Gemeinde Delfzijl verkauft, um als schwimmende Heimstatt für die Seefahrtschule ‚Abel Tasman’ zu dienen. 1988 war auch diese Periode zu Ende, aber die BONAIRE lag in Erwartung ihres weiteren Schicksals noch bis 1996 in Delfzijl, während verschiedene Restaurierungspläne diskutiert wurden. Nach einer Übereinkunft zwischen den Gemeinden Delzijl und Den Helder und der Königlichen Marine wurde sie dann nach Den Helder in das Dock der Oude Rijkswerf Willemsoord verlegt .
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Das Gelände der ehemaligen Marinewerft und seine Gebäude wurden 1997 under Denkmalschutz gestellt und an seiner Westseite der Themenpark ‚Cape Holland’ eröffnet. Dieser umfaßt auch das Nationale Seenotrettungsmuseum ,Dorus Rijkers’. Die Docks nehmen verschiedene Museumsschiffe auf bzw. werden als Marina ausgebaut werden. Gegenwärtig liegen hier die disneyhafte Replik des VOC-Schiffes PRINS WILLEM, die SCHORPIOEN (1868) sowie verschiedene Seenotrettungsboote. Die BONAIRE hat nun ihren lezten Liegeplatz im Trockendock 1 von 1822 gefunden, das selbst ein technisches Denkmal darstellt. Der östliche Teil der ehemaligen Werft beherbergt in verschiedenen Gebäuden vor allem das Marinemuseum sowie das U-Boot TONIJN (1966) auf dem Trockenen während der Minensucher ABRAHAM CRIJNSSEN (1936) am Kai vor dem Museum vertäut liegt.
Die Restaurierung
Ende der 1990er Jahre wurde eine Stiftung zur Erhaltung und Restaurierung der BONAIRE gegründet. Anfänglich wurde daran gedacht, die BONAIRE in einen seefähigen Zustand zu versetzen, um sie an Windjammertreffen oder ähnlichen Ereignissen teilnehmen zu lassen. Die veranschlagten Kosten waren aber zu hoch und außerdem sank sie im April 2004 im Dock. Eine Untersuchung nach der Hebung zeigte dann, daß der Zustand der Substanz eine Restaurierung bis hin zu einem seefähigen Zustand nicht mehr realistisch war. Darüber hinaus sprachen das elegante Unterwasserschiff und die interessante Schraubenanlage für eine Präsentation auf dem Trockenen. Die Restaurierung wir ein Projekt von wenigstens 10 Jahren sein.

Abb. 13: Virtuelle Realisierung (von Robin de Vries, Den Helder) der Zr.Ms. BONAIRE im Trockendock No. 1 in Den Helder (©Stichting Bonaire)

Abb. 14: Virtuelles Restaurierungsergebnis (von Robin de Vries, Den Helder, ©Stichting Bonaire)

Abb. 15: So wird es einmal auf dem Vordeck aussehen (virtuelles Modell von Robin de Vries, Den Helder, ©Stichting Bonaire)

Wiederentstehen soll eine BONAIRE, so wie sie im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wahrscheinlich ausgesehen hatte (Abb. 13-15). Die Arbeiten werden einerseits durch professionelle Schiffbaufirmen erledigt, die Erfahrung mit solchen Projekten habe, das Projekt wird aber auch durch Arbeitsbeschaffungs- und Umschulungsmaßnahmen unterstützt. Nach Abschluss der Restaurierung stellt sich natürlich immer wieder die Frage, wie Unterhaltskosten aufgebracht werden können, denn ähnlich einem fahrenden Schiff, muss auch ein Museumsobjekt im Trockendock ständig gepflegt und gewartet werden. Es ist daran gedacht, das Schiff für Konferenzen, Managementseminare und Erlebnistagen mit Übernachtung an Bord einzurichten. Weiterhin sollen in bordeigenen Werkstätten Artikel für den Verkauf als Souvenirs gefertigt werden, die so auch ihr Scherflein zum Unterhalt beitragen sollen.
 

Siehe dazu den Bericht im LOGBUCH 2009/2

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